Taiwan ist ein Schmelztiegel verschiedener ethnischer Kulturen. Die acht bedeutendsten chinesischen Kochtraditionen — Sichuan (川菜), Guangdong (粵菜), Jiangsu/Huaiyang (蘇菜), Shandong (魯菜), Fujian (閩菜), Zhejiang (浙菜), Hunan (湘菜) und Anhui (徽菜) — werden in allen China-Restaurants in Taiwan angeboten. Sie wurden durch ihre Verschmelzung in Taiwan bereichert und brachten einen neuen, charakteristischen Stil hervor.
Stanley C. Yen, Präsident des Hotels Landis in Taipeh, erklärte in seinem Buch Zongcai Shangcai (總裁上菜, „Der Tisch des Präsidenten“), dass ab 1949 Spezialitäten, die man einst für Menschen mit höherem sozioökonomischen Status zubereitete, und einfache Gerichte, die ehemals vom Durchschnittsbürger verzehrt wurden, aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung und Vermischung zu einer neuen und kreativeren chinesischen Küche nach taiwanischem Stil führten, die weltweit als Speise-Revolution anerkannt wurde. Jede der chinesischen Kochtraditionen hat ihren eigenen charakteristischen Stil und Geschmack. Die Shandong-Küche ist einfach und schlicht, die Huaiyang-Küche erfrischend, die aus Guangdong konzentriert sich auf die Klassiker, die aus Sichuan ist gehaltvoll und die Hunan-Küche herzhaft und stark gewürzt. Jede dieser traditionellen Küchen hat einen wichtigen Beitrag für die reiche und mannigfaltige chinesische Esskultur in Taiwan geleistet.
Cuipi Kaoya (脆皮烤鴨): Knusprig gebratene Ente
Das Gericht zählte vormals zur gehobenen Küche. Das Geheimnis der knusprig gebratenen Ente liegt in der Verwendung von Honig, mit dem die Haut eingerieben wird. Dadurch wird der Bratensaft in der Haut versiegelt und das Fleisch bleibt saftig.
Eigenschaften und Zutaten
Glänzend und appetitlich aussehend hat die gebratene Ente eine knusprige Haut und zartes Fleisch, ohne allzu fettig zu sein. Das Gericht wird oft nach „Shandong-Art“ angeboten — klein geschnitten und zusammen mit Frühlingszwiebeln, Gurkenstückchen und einer würzigen Sauce in gedämpfte dünne Pfannkuchen eingewickelt, im Prinzip wie die Peking-Ente (北京烤鴨).
Über den Hintergrund
Es heißt, dass in der Yuan-Dynastie (1271–1368) erstmals Kochkünste aus dem Westen in China eingeführt wurden. Dazu gehörten auch gebratene Gänse. Jedoch waren in China eher Enten verbreitet, und die Kochmethoden wurden für die Zubereitung von Enten angewendet. Anfangs wurden Enten in geschlossenen Steinöfen gebacken, aber in der Qing-Dynastie (1644–1911) ging man dazu über, die Enten über einer offenen Flamme zu rösten. Diese Methode kommt heute noch zum Einsatz.
Gulao Rou (咕咾肉): Süß-saures Schweinefleisch
Mit seinem süß-sauren Geschmack, der den Appetit anregt, ist dieses kantonesische Gericht überaus beliebt. Es zählt weltweit zu den populärsten chinesischen Gerichten.
Eigenschaften und Zutaten
Die Schweinefleischstückchen werden in einer besonderen Sojasaucenmischung eingelegt und mit einem bunten Mix verschiedener Gemüsesorten vermengt. Wunderbar bunt und mit einem öligen Glanz — die Farbgebung der Speise ist einfach verlockend. Die Süße enthält eine saure Note und erfrischt, ohne fettig zu sein. Die Schweinefleischstückchen werden frittiert und dann kurz angebraten, was sie außen knusprig und innen saftig und zart werden lässt. Dadurch entsteht ein herrlicher Geschmack!
Über den Hintergrund
Die Herkunft von süß-saurem Schweinefleisch ist unbekannt. Vielleicht weil dieses Gericht so einen langen Weg in der Geschichte hinter sich hat, wurde es lange Zeit auch als „uraltes Schweinefleisch“ bezeichnet. Die chinesische Bezeichnung für das Gericht veränderte sich mit den sprachlichen Verschiebungen über die Epochen, so dass seine Aussprache inzwischen der des heute gebräuchlichen Begriffs für „alt“ ähnelt.
Eine andere Erklärung für den Namen beruht auf der Farbe des Gerichts und seinem pikanten süß-sauren Geschmack. Sobald es auf den Tisch gestellt wird, steigt sein Aroma in die Nase, der Magen fängt an zu knurren und das Wasser läuft einem im Mund zusammen. Die chinesische Bezeichnung für diese Speise ist demnach eine lautmalerische Wiedergabe des Herunterschluckens vom Wasser, das uns in Vorfreude auf das Gericht im Mund zusammenläuft!
Eine weitere Erklärung für den chinesischen Namen liegt in der Zubereitungsart des Gerichts, dem Frittieren der Schweinefleischstückchen. Nach dem Kochprozess hat das Fleisch optisch eine gewisse Ähnlichkeit mit Riffkalkstein, der auch als „Gulao-Stein“ bekannt ist und dem Gericht somit seinen Namen gegeben haben könnte.
Hongshao Shizitou (紅燒獅子頭): Gebratene Fleischbällchen „Löwenkopf“
Dieses Gericht, auch „Gehacktes Fleisch“ (斬肉) oder „Fleischbällchen vierfaches Glück“ (四喜丸子) genannt, zählt zur klassischen Huaiyang-Küche in Festlandchina. Die kastanienbraun glänzenden „Löwenkopf“-Fleischbällchen bilden einen wunderbaren Kontrast zum grünen Gemüse. Sie sind ein beliebtes Gericht zum Neujahrsfest gemäß dem chinesischen Mondkalender. In Erscheinung und Aroma erinnern sie an die Königsberger Klopse der deutschen Küche.
Eigenschaften und Zutaten
Um dem Gericht einen Hauch von Süße und Knusprigkeit zu geben, werden dem Hackfleisch oft Wasserkastanien beigemengt. Der Fleischteig wird mehrmals durchgeknetet, um ihn geschmeidiger zu machen. Aus der Masse werden dann runde Fleischbällchen geformt. Bei geringer Hitze gebraten, nehmen die Fleischbällchen den reichhaltigen und köstlichen Fleischsaft auf, in dem sie geschmort wurden.
Über den Hintergrund
Gebratene Fleischbällchen stammen aus der Zeit der Sui-Dynastie (581–619). Als der Herrscher Yang (隋煬帝) an seinen kaiserlichen Hof zurückkehrte, war er noch ganz fasziniert von den vier schönsten Orten, die er auf seiner Reise in Yangzhou (Provinz Jiangsu) gesehen hatte, nämlich den Wansong Shan 萬松山 (Berg der zehntausend Kiefern), die Jinqian Dun 金錢墩 (Gold-Sanddüne), den Xiangya Lin 象牙林 (Elfenbein-Wald) und den Kuihua Gang 葵花崗 (Sonnenblumen-Bergkamm). Er befahl seinen Leibköchen, vier Gerichte zu kochen und sich dabei von diesen Sehenswürdigkeiten inspirieren zu lassen. In der Folge bereiteten sie — in derselben Reihenfolge, wie der Herrscher die landschaftlichen Sehenswürdigkeiten besucht hatte — Hörnchen-Fisch (松鼠黃魚), Goldenen Garnelenkuchen (金錢蝦餅), Elfenbein-Huhn (象牙雞條) und Sonnenblumen-Fleischklößchen (葵花獻肉) zu.
Während der Tang-Dynastie (618–907) veranstaltete der Großfürst Xun (郇國公) ein Bankett, für das seine Köche Sonnenblumen-Fleischklößchen zubereiteten. Beim Anblick der runden Fleischbällchen gab der Fürst dem Gericht seinen heutigen Namen.
Gongbao Jiding (宮保雞丁): Kung Pao-Hühnchen
Das Wesen der Sichuan-Küche beruht im Zusammenspiel von würzigen Zutaten wie scharfen Chilischoten und Sichuan-Pfeffer, die im Mund einen Effekt von Schärfe, aber auch ein betäubendes Gefühl hervorrufen. Kung Pao-Hühnchen ist ein klassisches Gericht in dieser Tradition.
Eigenschaften und Zutaten
Die wichtigsten Zutaten sind gewürfeltes Hühnerfleisch und Erdnüsse. Das Fleisch wird zuerst in Öl angebraten, um die Poren zu schließen. Dann werden in einem Wok bei großer Hitze getrocknete Sichuan-Chilis, Knoblauch und Frühlingszwiebeln kurz in Öl angeschwitzt, um die Aromen der Gewürze freizusetzen. Danach kommt das Hühnerfleisch dazu und wird zusammen mit den Gewürzen kurz gebraten. Die zarten, saftigen Hühnerstücke rufen beim Verzehr eine Geschmacksexplosion hervor und hinterlassen ein angenehmes, leicht taubes Gefühl im Mund. Allerdings ist Kung Pao-Hühnchen nicht so scharf, wie die Speise aussieht.
Über den Hintergrund
Ding Baozhen (丁寶楨, 1820-1886) war ein Beamter der späten Qing-Dynastie (1644–1911) und Gouverneur der Provinz Sichuan. Er war als Ding Kung Pao (丁宮保) oder „Palastprotektor“ bekannt, ein Ehrentitel, der ihm für die Niederschlagung des Nian-Aufstandes [ein bewaffneter Aufstand im Nordosten Chinas von 1853/55 bis 1868, Red.] verliehen worden war.
Es wird erzählt, dass Ding ein Gourmet mit einem Faible für die Kochkunst war. Kochen interessierte ihn wegen seiner Schwäche für gutes Essen und neue Rezepte, weswegen er berühmte Küchenchefs einstellte. Gebratene Hühnerfleischwürfel waren das typische Gericht, dass Ding seinen Gästen vorsetzen ließ. Wann immer er in seine Heimatstadt kam, sagte er Freunden und Verwandten, sie könnten ruhig einfache, günstige Speisen zubereiten, solange nur gebratene Hühnerfleischstücke serviert würden, wäre er glücklich. Erdnüsse und Sichuan-Chilis wurden dem Gericht hinzugefügt, nachdem Ding nach Sichuan gereist war und dort gesehen hatte, wie Hühnerfleisch mit diesen Zutaten zubereitet wurde – das Kung Pao-Hühnchen von heute war erfunden.
Dongpo Rou (東坡肉): Dongpo-Schweinefleisch
Dongpo-Schweinefleisch ist ein bekanntes, 900 Jahre altes Gericht aus der Stadt Hangzhou in der festlandchinesischen Provinz Zhejiang. Der Überlieferung nach hatten die Bewohner von Hangzhou dem Dichter und Gourmet Su Dongpo (蘇東坡, 1036-1101) aus der Zeit der Song-Dynastie (960–1279) als Dank für geleistete Hilfsmaßnahmen gegen Hochwasser sein Lieblingsgericht zubereitet — geschmortes Schweinefleisch, das sie nach ihm benannten.
Eigenschaften und Zutaten
Durchwachsenes Schweinefleisch wird gewürfelt und bei niedriger Hitze in Sojasauce und Reiswein geschmort. Dongpo-Schweinefleisch ist von zarter Textur, ohne fett zu sein, und zergeht auf der Zunge. Es ist eine typische Spezialität von Hangzhou.
Über den Hintergrund
Su Dongpo war einer der acht großen Dichter der Dynastien Tang (618–907) und Song. Er war nicht nur ein geachteter Dichter und Künstler, sondern zeichnete sich auch durch überragende kulinarische Fähigkeiten aus. Seine besondere Spezialität war in Sojasauce und Reiswein geschmortes Schweinefleisch.
Der Legende nach diente Su als Beamter in Hangzhou, als die Region vom Wasser des Westsees überflutet wurde. Er mobilisierte Arbeitskräfte, die Kanäle, Dämme und Brücken bauten und auf diese Weise den ständigen Überflutungen ein Ende setzten. Als Zeichen ihres Dankes schenkten ihm die Menschen, was er am liebsten aß, nämlich durchwachsenes Schweinefleisch. Er bat sein Küchenpersonal, das Fleisch zu würfeln und zu schmoren. Das Gericht wurde dann an die Arbeiter verteilt, die an dem Bauprojekt mitgewirkt hatten. Die Menschen priesen ihn für seine Weisheit und seine Fähigkeiten, und sie nannten das Gericht Dongpo-Schweinefleisch. Später wurde es zu einer berühmten kulinarischen Spezialität von Hangzhou.
Eine andere Geschichte erzählt, dass Su in Huangzhou (Provinz Hubei) im Exil leben musste, wo das Leben entbehrungsreich war. Dort hatte er die Idee, in Reiswein geschmortes Schweinefleisch durch Sojasauce zu verfeinern. Bei niedriger Hitze langsam gegart, war das Fleisch von rötlicher Färbung und zarter Textur und schmeckte köstlich. Im Laufe der Zeit kam das Gericht von Huangzhou nach Hangzhou, damals die Hauptstadt der Südlichen Song-Dynastie (1127–1279), wo es zur Spezialität wurde und den Namen seines Erfinders erhielt.
Mapo Doufu (麻婆豆腐): Mapo-Tofu
Mapo-Tofu ist ein Gericht im Stil der Sichuan-Küche. Die Gewürze sind betäubend scharf und herb bis bitter, und sie duften intensiv. Es werden frische Zutaten und reichlich Öl verwendet.
Eigenschaften und Zutaten
Echter Mapo-Tofu zeichnet sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus — „ma“ (麻, betäubende Schärfe) „la“ (辣, Gewürz), „tang“ (燙, Hitze), „xian“ (鮮, Frische), „nen“ (嫩, Zartheit), „kun“ (捆, strukturelle Unversehrtheit des Tofu) und „su“ (酥, knuspriges Hackfleisch). Die helle rote Färbung des Mapo-Tofu zeigt schon, wie scharf er ist. Dieses Gericht „haut rein“, und wer starke Aromen mag, sollte nicht darauf verzichten.
Über den Hintergrund
Mapo-Tofu soll von einer Frau namens Liu erfunden worden sein, die mit ihrem Mann in der Nähe der Wanfu-Brücke am Nordtor der Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan eine Gastwirtschaft namens Chen Xing Sheng eröffnet hatte. Lius Spitzname war „Chen Ma Po“ (陳麻婆), weil ihr Ehemann mit Familiennamen Chen hieß und ihr Gesicht durch die Pocken entstellt war. Diesen Spitznamen gab sie ihrem würzigen Tofu-Gericht.
Die Wanfu-Brücke lag damals auf einer wichtigen Route, die von Ölträgern benutzt wurde. Auf ihren Liefertouren kehrten sie im Chen Xing Sheng ein, um sich auszuruhen und zu speisen. Obwohl preiswerter Tofu zu ihren Lieblingsgerichten zählte, hatten die Träger im Laufe der Zeit alle bekannten Tofu-Gerichte über. Einer von ihnen bat deshalb Chen Ma Po, mit dem Öl, das er ihr gab, ein außergewöhnliches Tofu-Gericht zu kochen. Sie nahm Tofu, Chilis, Lauch, Hackfleisch, Chili-Bohnenpaste, Sichuan-Pfeffer und fermentierte schwarze Bohnen und kreierte daraus ein köstliches Tofu-Gericht, das nicht nur von samtiger Textur war, sondern auch scharf, würzig, frisch und knusprig. In kürzester Zeit erfreute sich das Gericht größter Beliebtheit.
Fo Tiao Qiang (佛跳牆): Buddha springt über die Mauer
„Buddha springt über die Mauer“ ist ein berühmtes Gericht aus Fujian, das gerne im Rahmen eines aufwändigen Banketts serviert wird. Die Zubereitung der Speise ist schwierig und zeitraubend, da viele verschiedene Zutaten verarbeitet werden müssen. In Taiwan wird dieses Gericht dann serviert, wenn Freunde und Familie zusammenkommen.
Eigenschaften und Zutaten
„Buddha springt über die Mauer“ besteht aus verschiedenen Köstlichkeiten und gilt als eines der wichtigsten Gerichte der chinesischen Küche. Die Zubereitung erfordert großes Geschick — über zehn Zutaten müssen über mehrere Stunden auf kleiner Flamme gegart werden. Dabei muss die Temperatur genau stimmen. Das Gericht zeichnet sich durch ein wunderbares Aroma aus und schmeckt unwiderstehlich.
Über den Hintergrund
Die früheste Erwähnung des Satzes „Buddha springt über die Mauer“ findet sich in einem Buch aus der Song-Dynastie (960–1279). Über die Herkunft des blumigen Namens dieses Gerichts gibt es zahllose Geschichten. Eine Version erzählt, dass der wohlriechende Duft der Speise so intensiv war, dass ein buddhistischer Mönch über die Mauer seines Klosters kletterte, um davon zu kosten. In einer anderen Version hatte der Mönch eines Tages das Gericht zubereitet und dabei zahlreiche nicht-vegetarische Zutaten verwendet. Als er beim Verzehr erwischt wurde, musste er über die Klostermauer springen, um zu entkommen. Keine dieser Versionen lässt sich verifizieren oder widerlegen.
Eine dritte Geschichte erzählt, dass während der Qing-Dynastie (1644–1911) das Gericht zum ersten Mal von einem Beamten aus Fuzhou (Provinz Fujian) zubereitet worden war, der bei seinem Vorgesetzten Zhou Lian (周蓮) Eindruck schinden wollte. Er verwendete eine ganze Reihe von Zutaten, darunter Schweinefleisch, Ente und Huhn, und schmorte sie langsam in einem Gefäß, in dem ursprünglich Shaoxing-Reiswein gelagert worden war. Nachdem Zhou das Gericht gekostet hatte, lobte er es überschwänglich und fragte nach seinem Namen. Der Beamte erklärte, das Gericht solle „Glück und Wohlstand, Zufriedenheit und ein langes Leben“ bescheren, und deshalb werde es „Zufriedenheit und langes Leben“ genannt. Zhous Küchenchef notierte das Rezept und verbesserte es noch weiter. Als Zhou es seinen Gästen servieren ließ, notierte einer von ihnen die Zeilen: „Der Duft durchzieht die Nachbarschaft, wodurch die Mönche ihre Zen-Meditation vergessen und über die Mauer hierher springen.“ Seitdem heißt das Gericht „Buddha springt über die Mauer“.